Heute wurde das Klavier in meinem Elternhaus abgeholt. Es soll Platz werden für Neues. Ich war noch dort, und hab ein letztes Mal darauf gespielt. Das ist, was dabei in mir los war:
Abschied vom Klavier.
Noch einmal dort zu sitzen und dem Klang der
Töne nachzuspüren, dieser ganz eigene Klang, der mich mein Leben lang begleitet
hat, seit ich auf der Welt bin und zuhören kann. Noch einmal diese Tasten
anzuschlagen, die schwergängigen, mit Kraft. Spüren, wie die Tränen kommen, die
Tränen über all die verlorene Liebe, die ich dort betrauert habe.
So viel hab ich gelernt, während ich auf
diesem Hocker saß. Über Geduld, vor allen Dingen. Übers Dranbleiben, übers
Weitermachen, übers Nicht-Aufgeben. Ich habe gelernt, sitzenzubleiben, mich zu
konzentrieren, auf eine Sache. Ich habe gelernt, loszulassen und die Musik zu
mir kommen zu lassen, während rund um mich die Dunkelheit war. Ich habe
gelernt, dass mich Musik heilen kann, dass ich mich selbst heilen kann, dass
ich eine Ausdrucksmöglichkeit habe, die ohne Worte ist. Ich habe dort gesessen,
wohl zu jeder Tageszeit einmal, zu jeder Nachtzeit, in jedem Zustand meiner
Seele – und es war immer dasselbe Gefühl. Es war das Heimkommen, das
Geborgensein, und die Möglichkeit, mir diese Geborgenheit selbst zu erschaffen.
Dort zu sein, in diesem Winkel meiner Welt, mit diesem Klavier, in meinem
Zuhause, wo ich aufgewachsen bin, hat mich geerdet, runtergeholt, mir Hoffnung
gegeben und mich weitergetragen, egal, wie sehr rund um mich alles in Trümmern
lag.
So bewusst von etwas Abschied zu nehmen, das
bedeutet, dass sich wirklich etwas verändert, wirklich etwas tut da draußen, selbst
wenn man sich dagegenstemmt und die Zeit anhalten will; dass ich nichts
festhalten kann, nichts behalten darf, sondern alles im Leben nur geborgt ist. Und
damit geht ein Gefühl des Respekts einher – vor den Dingen und den Menschen,
ihren ganz persönlichen Geschichten, ihren Beweggründen und Motiven.
Was bleibt, ist die Erinnerung – an die
Nachmittage, als Papa neben mir saß und mit mir übte; mir immer wieder geduldig
die Tonfolgen vorspielte, mich verbesserte, mir Tipps gab und Hinweise, bis es
klappte. Debussy. Mozart. Brahms. Schubert.
Was bleibt, ist die Erinnerung – an die
Abende, als ich alles verdunkelte, allein zu Hause war, und mich einfach hineinfühlte,
hineinhörte in das, was die Klänge zu mir brachten.
Was bleibt, ist die Erinnerung – an Weihnachten
oder an ganz normale Sonntagvormittage, als Papa dort spielte, für sich, für
uns, für die Musik.
Was bleibt, ist die Erinnerung an all das.
Was bleibt, ist ganz große Dankbarkeit.
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