Warum ich meinen Discman mag
...weil ich
mich noch sehr gut daran erinnern kann,
dass ich mit meinem Discman, den ich vor rund 18 Jahren zum Geburtstag bekommen
habe, musikalische Unabhängigkeit in einer Welt voll von Marushas, der Kelly
Family und anderen 90er Bands erlangt habe. Weil ich mir selbst Alben kaufen
und sie wann immer ich wollte, ob im Zug, zu Hause oder auf einer Busfahrt nach
München, hören konnte. Weil ich Musik hören konnte, die mir gefällt, und nicht
Musik, die einem laut Radio zu gefallen hat.
Ich mag
meinen Discman, weil darauf immer der Soundtrack zur jeweiligen Situation
gelaufen ist.
Ich mag ihn,
weil ich mir EIN Album einlegen kann und nicht den Stress habe, hunderte Alben
gleichzeitig drauf zu haben und mir vorher überlegen muss, ganz bewusst, was
ich gerade hören möchte.
Ich mag ihn,
weil er Musik in besserer Qualität wiedergibt und mich nicht das grässliche
mp3-Scheppern nervt – man hört wirklich ganz genau, was jedes einzelne
Instrument spielt. Das hat mich schon immer fasziniert.
Ich mag ihn,
weil er mich manchmal warten lässt, wenn die Batterien leer sind oder er einen
„Spinner“ hat, was ich seinem Alter zuschreibe, und auch wenn es mich ärgert,
so steigert er nur die Vorfreude darauf, wenn er wieder läuft.
Ich mag ihn,
weil er sich selbst repariert hat. An einem eisigkalten Tag am Bahnhof machte
es nämlich einst „knacks“ im Kopfhörer und dann war Stille. Und er ließ sich
nicht mehr aktivieren. „Schmeiß ihn weg und kauf dir einen neuen“, sagten sie
mir. Nein, ich habe ihn aufgehoben und ein paar Jahre später ging er plötzlich
wieder.
Ich mag die
CD-Sammlung, für die er verantwortlich ist, genauso wie ich mein Bücherregal
mag, in dem all die schönen bunten Bücher wohnen, die ich schon gelesen habe.
Übrigens,
ich mag es, richtige Bücher zu lesen. Ich mag den Geruch der Seiten und das
Geräusch beim Umblättern. Ich mag es, dass ich mich ordentlich hinsetzen muss,
ich mag die Lesezeichen, oder bei den besonderen Ausgaben die Bänder, die als
Lesezeichen dienen. Ich mag, dass echte Bücher teurer sind als E-books, weil
ich ja auch die Cover sehr gerne mag. Ich mag es, wenn man merkt, dass sich
jemand Gedanken dazu gemacht hat.
Zurück zu
den CDs. Ich mag es, die Booklets und die Informationen darin zu lesen, während
ich die Musik höre. Die Texte, welcher Musiker welches Instrument gespielt hat,
wer die Texte geschrieben hat, wer es produziert hat, arrangiert, ja, ich mag
es sogar zu lesen, bei wem sich die Musiker bedanken, ganz am Ende. All das
gehört zur Geschichte dazu. Und es gehört auch dazu, die Musik zu verstehen.
„CDs und Discman
– das ist doch unpraktisch und teuer. Mit einem Discman kann man zum Beispiel
auch nicht laufen gehen“, höre ich manchmal. Na und? Wenn ich Musik höre, dann
höre ich Musik. Wenn ich laufe, dann laufe ich. Muss ich alles gleichzeitig
machen? Nein.
Und ja, CDs
sind teurer, aber ich zahle für die Qualität eines Produkts gerne was. Ich
möchte ja gar nicht das „Billigste“ haben, sondern das Beste. Warum soll ich
bei etwas sparen, das mir Freude macht? Das ich genießen möchte? Warum sollte
ich mir Musik, Filme und Serien aus dem Internet streamen, in schlechtester
Qualität? Ich bin es mir selbst wert, ins Kino zu gehen oder mir einen Film zu
kaufen. Vor allem, man schaue sich mal den Abspann an – bedenkt man, wie viele
Menschen an einem Film mitwirken, damit man dann was zu sehen bekommt, finde
ich weder eine Kinokarte oder den Preis einer DVD zu hoch. Außerdem möchte ich
auch für meine Arbeit bezahlt und nicht um meinen Lohn geprellt werden.
Ich mag es,
meinen Schülern alte Musik vorzuspielen, die Vorfahren der heutigen Popstars.
Den Mädchen zum Beispiel Aretha Franklin, die Mutter aller „Heulbojen“ ;) – und
ich mag es, wenn sie große Augen machen, wenn sie feststellen, dass es auch
noch was anderes als Beyoncé gibt. Den Burschen spiele ich ACDC vor und sie bemerken,
dass der Rock dann doch nicht von Nickelback erfunden wurde. Und wenn ein paar
von ihnen dann selbst zu graben beginnen, was es denn noch alles gibt, bin ich
glücklich. Und wenn mir einer sagt, er ist am Heimweg von der Gitarrenstunde
gleich beim Müller stehengeblieben ist, um sich eine Led Zeppelin CD zu kaufen,
freut mich das noch mehr. Leid tut mir dann nur, dass es diese kleinen
Musikfachgeschäfte fast nicht mehr gibt, wo ich nach der Schule oft die Zeit
vergessen habe und mich beraten lassen konnte, was mir noch alles gefallen
könnte. Was es da alles zu entdecken gab…
Ich mag
meinen Discman, weil er mich erinnert, wie ich überhaupt zur Musik gekommen bin
(ein großes Danke an meinen Bruder – obwohl ich mit Emerson, Lake & Palmer
noch immer nicht so richtig warm werde) und warum ich schließlich selbst
Musiker geworden bin. Mein Discman kann das. Mein Handy nicht.
Ich mag
meinen Discman, weil er mich und meine Geschichte kennt.