Freitag, 30. Dezember 2011

Was ich dir wünsche.

Herzensfrieden. Lebendigkeit. Sicherheit. Vergebung. Loslassen. Liebe. Freiheit. Menschsein. Wärme. Genug zu essen, zu trinken, zu lesen, zu tun. Sonne. Wirklichkeit. Träume. Erfüllung. Ruhe. Zeit. Atem. Frische Luft. Gute Gespräche. Spaziergänge. Möglichkeiten. Vertrauen. Gesundheit. Erkenntnis. Leben.

...und einen guten Rutsch ins neue Jahr! :-)

Freitag, 23. Dezember 2011

Die Frau für den Blumenstrauß.


Diese Geschichte ist von 2002, und sie ist mir wirklich fast so passiert. Ich habe sie bewusst eben nicht "korrekturgelesen", sondern meinen Stil von vor so vielen Jahren einfach so stehengelassen.
Dies ist meine kleine Weihnachtsgeschichte für euch.

Die Frau für den Blumenstrauß.

Es ist ein bißchen kompliziert zu erklären, wie ich zu dem Blumenstrauß kam an diesem grauen, triesten und windigen Tag im November. Das Wetter war kalt und richtig unangenehm, aber ich war überzeugt davon, daß jetzt ein guter Zeitpunkt war, meine Tante im Spital zu besuchen, die eine Operation an der Zehe hinter sich zu bringen hatte. Ich packte mich warm ein, nahm mir einen Stadtplan von W. mit und stieg in den Zug. Nach einer Stunde Fahrt hatte ich herausgefunden, daß das Spital ein weites Stück vom Bahnhof entfernt lag und ich sicherlich noch eine dreiviertel Stunde dorthin unterwegs war. Mißmutig stieg ich aus dem Zug und sah mich nach der richtigen Straßenbahnhaltestelle um. Der Wind wirbelte mir die Haare durcheinander und schien mit Leichtigkeit durch meine Jacke und den warmen Pullover auf meine Haut zu dringen. Ich fröstelte und ging weiter.

Als ich nach einer guten Stunde endlich in der Nähe meines Zieles angekommen war, sehnte ich mich nur noch nach einem heißen Kaffee und einem Stück Schokolade. Der Gedanke, daß ich in ein paar Minuten in einem kahlen Krankenhauszimmer mit desinfisziertem Geruch sitzen würde, gefiel mir gar nicht. Aber ich hatte mir die Sache nun mal eingebrockt, so mußte ich sie auch auslöffeln. Als ich fast schon vor dem großen Einfahrtstor war, fiel mir plötzlich siedend heiß ein, daß ich keine Blumen für meine Tante hatte. Das erste Blumengeschäft in der Straße hatte geschlossen, aber im zweiten fand ich einen wunderschönen, bunten Strauß, für seine Größe recht billig, den ich kaufte. Er war orange und weiß, mit großen Blüten und duftete himmlisch. Sogar eine kleine Maus aus Bast steckte darin.
Ich machte mich also wieder auf den Weg zurück ins Spital. Noch immer blies der Wind und die eine Hand, mit der ich den Blumenstrauß festhielt, wurde schon ganz klamm und gefühllos. Ich hasste das. Aber ich liebte wiederum das Gefühl, wenn man dann ins Warme kam, und die Hände langsam wieder auftauten und zu prickeln begannen, wenn die Wangen von der Wärme zu glühen begannen und man sich erleichtert von Schal und Mantel befreite. Diese Gedanken beschäftigten mich, als ich auf dem kurzen Weg die Straße wieder hinauf in Richtung Spital gegen den Wind und die Kälte kämpfte.
Ich trat an die Rezeption und fragte, in welchem Zimmer meine Tante zu finden sei. Der ältere Mann, der dort saß und mit einem Zweiten plauderte, schaute mich verwundert an: „Nein, also wir haben sie gestern Nachmittag entlassen. Sie sind zu spät. Ich muß Sie enttäuschen.“ Ich schaute anscheinend so verdutzt drein, daß der Mann unwillkürlich grinsen mußte: „Es tut mir wirklich Leid, aber bitte – freuen Sie sich doch, daß sie schon so früh entlassen werden konnte. Und... wollen Sie mir vielleicht den Blumenstrauß dalassen, wo Sie ihn doch jetzt nicht mehr brauchen?“ Das war genug, ich kam mir sowieso schon vor wie der letzte Idiot und dann konnte ich mir auch noch DAS anhören. Ich brachte außer einem wütenden Schnauben nur ein „Auf Wiedersehen“ heraus und stürmte hochrot aus dem Spital.
Als ich ein paar Meter gegangen war, hatte ich mich endlich beruhigt und schaffte es wieder, einen klaren Gedanken zu fassen. Irgendwie hatte der Mann an der Rezeption recht gehabt mit dem Blumenstrauß. Was tun damit? Im ersten Moment wollte ich ihn mit nach Hause nehmen, aber dann fiel mir ein, daß es noch ein paar Dinge in der Stadt zu erledigen gab, wobei er mir sicherlich nur hinderlich gewesen wäre. Zurückgehen konnte ich nun auch nicht, das ließ mein Stolz nicht zu. Während ich weiterging, kam mir dann endlich eine Idee: Ich hatte einen so schlechten Tag gehabt, hatte die ganzen Strapazen scheinbar völlig umsonst auf mich genommen – also wieso sollte ich einem anderen Menschen diesen grauen, kalten Tag nicht verschönern und den Blumenstrauß einfach herschenken?

So machte ich mich auf die Suche nach dem Menschen, dem ich diesen Strauß schenken wollte. Ich beschloß, der nächstbesten Frau, die nicht allzu abweisend dreinschaute, den Strauß in die Hand zu drücken, ihr einen schönen Tag zu wünschen und weiterzugehen. Ich hatte keine Lust auf lange Reden und Erklärungen, ich wollte es hinter mich bringen.
Sorgfältig musterte ich die entgegenkommenden Passanten. Die ersten zehn konnte ich ohne groß zu überlegen aus meinem Spiel ausscheiden lassen: Sie machten griesgrämige Gesichter, plapperten genervt in ihre Handy´s oder kämpften mit dem grausamen Wetter, das einfach nicht besser werden wollte. Nach einiger Zeit sah ich eine kleine Familie an der gegenüberliegenden Straßenecke stehen. Fest entschlossen, nun endlich das unhandliche Ding loszuwerden (ich fand es schon gar nicht mehr schön!), überquerte ich die Straße und erklärte in zwei knappen Sätzen meine Situation. Damit wollte ich der völlig überraschten Frau den Strauß in die Hand drücken, aber bevor ich das tun konnte, erklärte mir ihr Mann, daß sie selber nur für diesen einen Tag angereist wären und mit einem großen Blumenstrauß – so schön er auch wäre – rein gar nichts anfangen könnten.
Nun gut, dachte ich, erster Versuch fehlgeschlagen, also weiter, und nur nicht entmutigen lassen. Aber ich hatte auch weiterhin kein Glück. Einmal fand ich, die Person brauche keinen Blumenstrauß, dann kamen mir fünf Minuten lang nur Männer entgegen.

Aber dann, nach geraumer Zeit und nach dem Verlust einiger Nerven, bog ich in die letzte Straße vor meiner Straßenbahnhaltestelle ein und sah eine kleine, alte Frau vor einer halboffenen Türe stehen und ein bißchen aufgeregt nach links und rechts blicken. Ich sah, sie hatte ein verhutzeltes Gesicht mit kleinen, dunklen Knopfaugen, die gutgelaunt unter ihrem Hut hervorblitzten. Ich war erleichtert – ihr wollte ich den Strauß schenken. Ich ging auf sie zu und räusperte mich vor ihr, um sie nicht zu erschrecken: „Entschuldigung, bitte. Würden Sie als Geschenk von mir diesen Blumenstrauß annehmen?“ Schnell erklärte ich ihr, warum, und – siehe da – ihr kamen fast die Tränen vor Rührung: „Daß es sowas heute noch gibt! Einfach so einen Blumenstrauß, und dazu noch so einen schönen! zu verschenken... aber wie komm denn ich dazu?? Auf einmal? Na, kommen Sie doch rein, bei dem Sauwetter ist es doch das mindeste, daß ich Sie auf einen Kaffee einlade...“ Jetzt erst sah ich, daß es sich bei der halboffenen Eingangstüre um ein Café handelte und dankend nahm ich die Einladung an. Als ich mich aus meinen dicken Schichten geschält hatte, erklärte die alte Dame dem Kellner, was ihr gerade passiert sei, und er lächelte und brachte mir meinen heißersehnten Kaffee. Auf einmal kam mir vor, als wäre es in mir wärmer geworden. Die Fingerspitzen begannen zu kribbeln, ich spürte langsam meine Zehen wieder und in mir – da hatte der Wind auch einiges eingefroren – wurde es ganz warm und ich fühlte mich wie in einem Schaumbad oder an einem Sommernachmittag im Juli. Die kleine Frau mir gegenüber sagte: „Wissen Sie, ich warte nämlich auf meinen Mann!“ – Sie klang ganz stolz – „Darum bin ich draußen gestanden. Er muß jeden Moment hier sein. Was wird er wohl dazu sagen??“ Und sie lachte und roch an den Blumen.
Ein paar Minuten später – ich genoß noch immer das Gefühl der Wärme und des Goldglanzes in mir drinnen – ging die Tür mit einem Schwung auf und ein alter Herr kam herein. Er schüttelte sich und murmelte irgendwelche wüsten Beschimpfungen über das Wetter, bis er an den Tisch gekommen war, an dem die alte Frau und ich saßen. Die zwei sahen sich an, und augenblicklich verstummte er. Liebevoll lächelnd küßte er sie auf den Mundwinkel, und ganz Gentleman nahm er den Hut ab und gab mir die Hand. Seine Frau erklärte die Situation, als er sich setzte, und da meinte er ganz entrüstet: „Na, da hätte ich doch mein schönes Hemd und die Krawatte anziehen sollen, wenn ich das gewußt hätte! Sie sind natürlich eingeladen...“ Die alte Frau legte ihm die Hand auf den Unterarm und beschwichtigte ihn: „Aber ich bitte dich, das hab ich doch schon längst getan...“

So saß ich dann noch eine Viertelstunde mit den beiden alten verliebten Leuten zusammen und trank meinen Kaffee, während mir der Mann ganz stolz erzählte, er wäre „schon 57 Jahre, drei Monate und eine Woche“ in seine Frau verliebt. Sie schaute ihn verträumt an und meinte: „Aber geh...“

Als ich mich verabschiedete, bedankten sich beide noch einmal für den Blumenstrauß. Ich wünschte ihnen noch weitere schöne Jahre miteinander und ging mit einem Hochgefühl des Glücks hinaus in den kalten Wind. Mir wurde an diesem Nachmittag nicht mehr kalt, und kein einziges Mal, bis ich zu Hause schlafen ging, wich das Lächeln der einfachen Zufriedenheit aus meinem Gesicht.
Ich saß in der Straßenbahn und dachte nach. Noch einmal sah ich sie vor der Türe stehen, aufgeregt nach links und rechts blickend. Was mußte das für eine Liebe sein, dachte ich. Nach so vielen Jahren hält sie es immer noch nicht aus, ohne ihn zu sein, und vielleicht war er nur eine Zeitung holen gegangen, oder auf die Bank. Ich konnte das nicht wissen! Und ihre Augen – wie die der kleinen Maus aus Bast, oben auf dem Blumenstrauß. Ich erinnerte mich an den Augenblick, wo ich den Strauß am liebsten weggeworfen hätte, weil er mir so gar nicht mehr gefiel – aber am Ende war er der Schönste gewesen, den ich je gesehen hatte. Und – hatte er mir nicht viel mehr gegeben, als ich mit ihm verschenkt hatte, als ich ihn der Frau gab?
Ich war überzeugt davon: Ich hatte die Frau für den Blumenstrauß gefunden – und mich selber auch, indem ich etwas gegen die innere Kälte getan hatte, die mich schmerzte.
Ich griff in meine Manteltasche und suchte nach einem Taschentuch. Da ertastete ich auf einmal etwas, das sich zuvor nicht darin befunden hatte. Ich zog es heraus – es war die Bastmaus! Sie schaute mich an mit ihren Knopfaugen, und blinzelte fröhlich und aufgeregt in mein Gesicht, als hätte sie auf mich gewartet!

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Der erste Schnee.

Von heute.

Sie sagte einmal zu mir: Mit dem ersten Schnee wird alles gut. Das stimmte nicht immer, aber zumindest wurde mit dem ersten Schnee alles klarer. Man begriff eher, wo man hingehörte, man lernte zu schweigen, wo Worte unangebracht waren, man bekam das mit dem Vermissen, Verlassen und Verlieren besser in den Griff - und man konnte auf einmal besser denken.
So gesehen hatte sie Recht, die Mama.
Mit seinem Herzen sollte man dort sein, wo man gerade ist, wegen der Aufmerksamkeit und der Präsenz. Aber vor allem auch wissen, wo man zu Hause ist, wo man hingehen kann, wo jemand wartet, und vor allem, wann man sich dorthin auf den Weg machen sollte.
Ich mag am Ende von schönen Abenden dieses "Bleib-doch-noch-Spiel" nicht. Jeder weiß, dass es irgendwann Zeit wird zu gehen, jeder muss sich irgendwann auf den Weg machen, und ich mache das solange ich meine Sinne noch beisammen habe. Um gut, sicher, wohlbehalten nach Hause zu kommen habe ich zwei Strategien: Erstens habe ich Schuhe anzogen, in denen mir die Füße mit der Zeit wehtun, um nicht zu spät aufzubrechen; und zweitens habe ich mich nicht verabschiedet, sondern einfach irgendwann meinen Mantel genommen, nicht einmal eilig, sondern ganz gemütlich, als wäre ich schon garnicht mehr da, Stufen runter, den langen Gang entlang, rein ins Auto und dahin. 
Zusammenfassend: Ein großes Danke an Mama und an mein Herz, und ein großes Entschuldigung für mein Verschwinden. :-)

Dienstag, 20. Dezember 2011

Wie war Dein Tag.

Von 2003. (Ein Gedicht, das irgendwann ein Lied geworden ist.)

Wie war Dein Tag?

Dich zu fragen: Wie war Dein Tag?
Dir beim Schweigen zuzuhören
Dich dabei nicht zu stören, sondern
schauen, staunen und wenn ich was frag,
in die Stille lauschen Deiner Stimme
inmitten der Welt
als wär sie schon seit Jahrmillionen
zu mir unterwegs, dass sie mir gefällt.

Hinter mir
die Türe zu schließen
hinaus in die Nacht und den Regen
und auf steinernen glatten Wegen
eine stille Träne zu vergießen –
vor Glück und Unglück gleichermaßen
denn alles was träumt und vergessen ist
hallt durch die weiten, leeren Straßen
und ich sag Dir dann: Ich hab Dich vermisst.

Und die Sehnsucht, mich in Dir zu vergraben
möchte ich für immer und ewig haben.


Montag, 19. Dezember 2011

Über Verzicht.

Von 2010.

Über Verzicht.

Einfach mal zu schweigen, und nicht die patzige Antwort zu geben; Einfach mal inne zu halten, und vor allem, in sich hineinzuhören, ohne etwas nach außen abzugeben, oder ohne etwas in sich hineinzustopfen; einfach mal nicht das Glas Rotwein oder den Wodka, weil er „gut tut“ und verblendet; einfach mal nicht liegenbleiben, sondern aufstehen und laufen gehen;
Verzicht nicht aus dem Leiden heraus, sondern um zu schauen, hinzuspüren und vielleicht sogar, um zu erkennen. Ich weise die Dinge nicht von mir, sondern sehe sie in einem anderen Blickwinkel – ein bisschen mehr so, als würde ich mich außen davon hinstellen und sie bewusst betrachten. Ich nehme mir selbst nichts weg, sondern ich gebe mir durch Verzicht etwas Neues – Bewusstsein, Erkenntnis und Freiheit. Freiheit deshalb, weil ich mich von Abhängigkeiten und Gewohnzeiten distanziere und erfahre, wie gut es tun kann, einmal anders zu denken, mich woanders hinzustellen und auch... um mich wieder auf etwas freuen zu können. Und sich auf etwas freuen zu können, Sehnsucht zu empfinden, ohne Angst und ohne Bedenken... das ist viel wert.

In einer Zeit des Überfluss, der Überkommunikation und der Maßlosigkeit lege ich selbst Maß an mich und zeige mir meine Grenzen auf. Das Gefühl fürs Wirkliche, fürs Maß, ist uns abhanden gekommen, und auch das Gefühl für Sehnsucht. Einen Schritt zurück zu machen bedeutet nicht zwangsläufig, aufzugeben – es kann mich frei machen, wenn ich diesen Schritt bewusst tue, mich für einen Moment aus mir selber herausstelle und beginne, mir das alles einmal mit Liebe und bewusster anzuschauen.
Wie überraschend kann dann die Erkenntnis sein, die ich dann finde! In einer Zeit in der wir alles zu haben scheinen was wir brauchen, in der wir zu jedem Zeitpunkt kommunizieren können, uns mitteilen, in der die leicht dahingesagten Worte nur so fliegen, ohne dass wir sie je zurücknehmen könnten, ist die Stille ein Zustand geworden, der uns unangenehm ist, unheimlich sogar, und den wir nur schwer ertragen können.
Etwas wegzulassen bedeutet nicht, es aufzugeben. Weglassen, loslassen, bedeutet eher: Platz zu schaffen für Neues, sei es eine Erkenntnis, sei es eine Lebenseinstellung, sei es Platz zum Atmen im Haus oder im Garten. Nicht immer geht das reibungslos und ohne Zögern. Aber alles was wir nicht haben, kann uns nicht belasten. Alkohol wird unsere Gedanken nicht verschleiern, Süßigkeiten werden uns nicht den Magen verderben, zu viel Nahrung, zu viele Telefonate, zu viel unterwegs sein, und selbst – sich zu viele Gedanken machen... es gibt eine Zeit zum Feiern und es gibt eine Zeit zum Fasten. Alles hat seinen Sinn und seinen Platz.
Die Sehnsucht nach dem Reinen ist in uns allen. Jetzt ist die Zeit, wieder einen Versuch zu wagen – nach Nächten voll mit Tanz und Spiel und Äußerlichkeit ist nun das Innere gefragt. Weg mit der Schminke und weg mit allem was rundherum ist, und dann 40 Tage sich vorbereiten auf den Frühling und auf die Sommerzeit mit ihren wundervollen Geschenken. Es ist ein Stück Weg jetzt, das wichtig ist. Nicht verhärmt zu werden durch die Härte des Verzichts, sondern ihn mit Leichtigkeit und guten Gedanken dankbar annehmen. Er bedeutet nicht Rückzug und nicht Qual, sondern Reinigung.
Loslassen. Fließen lassen. Gehen lassen, was gehen muss. Das alles ist immer mit Schmerz verbunden, Schmerz, der unsere kleine menschliche Seele quält, und uns Überwindung kostet. Aber wir sind im Inneren alle stark, irgendwo in uns gibt es eine Quelle, die wir anzapfen können und die uns zu uns selber bringt, wenn wir davon trinken. Nicht immer sehen wir sie, nicht immer spüren wir ihre Präsenz, aber in Wirklichkeit sind wir alle damit verbunden.

Samstag, 17. Dezember 2011

Ich glaub dass Liebe mich nach Haus bringt wie ein Boot.

Nochmal ein Text von früher für euch.

Ich glaub dass Liebe mich nach Haus bringt wie ein Boot…

Dass immer genug Holz da ist, um einzuheizen wenn es kalt wird. Dass die Kerze nicht ausgeht und dass das Licht innen bleibt. Dass jemand da ist, irgendwo in der Nähe, und selbst wenn nicht, dass die Nähe spürbar bleibt. Dass Du Dinge findest, von denen Du denkst, das möchtest Du mir zeigen. Und dass Du weiterweißt wenn Du alleine bist und Dich entscheiden musst. Dass es Dir bleibt, dass Du zuhören kannst und Du das Gefühl des Staunens nicht verlernst. Dass Du aufrichtig bleibst und echt, und dass dies kein Ende hat und keinen Anfang.

Dass Dinge, die Dir passieren, irgendwann einmal Sinn ergeben und Du den Glauben an das größere Ganze nicht verlierst, den Dich das Leben gelehrt hat. Dass Du immer Neues siehst, was weiter weg erschien und nah ganz anders wirkt, als wäre es fast schon vorbestimmt. Dass Du beginnen lernst, und beenden, in jeder Situation und mit Deiner ganzen Kraft. Dass Du Dich irgendwann fühlst, als wärst Du angekommen, und dass dieses Gefühl nicht Stehenbleiben, sondern immer noch einen Weg bedeutet, der für Dich gehbar ist. Dass besondere Tage ganz normal beginnen, und ganz normale Tage etwas Besonderes werden. Dass irgendwann ein Stern vom Himmel fällt in Deinen Schoß und Du alles annehmen kannst, was Dir geschieht. Dass Du änderst, was Du ändern möchtest, und was in Deiner Macht steht. Dass Du Macht niemals missbrauchst. Dass ein Neubeginn immer etwas Schönes bedeutet. Dass der Sinn der Dinge Dir nicht verborgen bleibt, sondern dass Du Weisheit erfährst, auch durch andere.

Dass Du neu wirst, jeden Tag, und Dich leichter fühlst, wenn Du etwas Schwieriges geschafft hast. Dass Du auch manchmal scheiterst, weil Du weißt dass scheitern lernen bedeutet. Dass es Abend wird, und dann Nacht. Und dann auch wieder Morgen.

Ich habe hinter mir gelassen, was es abzuwerfen galt. Ich bin mir nicht mehr sicher worauf es ankommt: ob es die Tiefe ist, in die es geht, oder die Höhe, oder die Fläche, oder einfach Wachsen, mit der Zeit, und mit allem was sich darin verbirgt. Es hat noch keinen Namen, auch wenn manche wollen, dass ich es benenne. Es hat noch keine Zukunft, weil die Zukunft nicht so geschrieben ist, dass ich sie lesen könnte. Die Sprache ist mir fremd, doch ich werde sie lernen. Das Verstehen bleibt nicht stehen, sondern folgt mir, oder ist mit mir mit. Ich hab was gefunden, das würd ich Dir gern zeigen. Ich hab was verloren, aber es macht noch immer Sinn. Niemand hat sich geirrt, niemand hat etwas Falsches getan, alles war durch und durch grundvoll und richtig. Ich habe abgeworfen, was ich mitgeschleppt habe, ich habe mein Taufgelübde erneuert und meinen Glauben bekannt. Über dem Licht war ich, und mitten in dem Licht, und alles war bei mir, was ich brauchte. Nichts war mehr verborgen. Nichts unentdeckt oder verloren. Manchmal, für kleine Momente, bin ich angekommen im Nichts, und es war die Erfüllung. Wer kennt schon die Karten, mit denen er spielt?

Dass alles gut wird, was gut werden kann. Und dass mich trägt, was mich tragen soll, und ich mich selbst übers Wasser, wenn ich muss. Dass ich glauben darf, und verlieren. Dass ich annehmen kann und geben. Dass eines Tages, irgendwann, alles gut wird.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Heimkehr vom Meer.


Ein Text von früher, 2009, ich mag die Worte darin.


Heimkehr vom Meer.

Meine Hände zittern. Ich habe die Luft geatmet und den Wind gesehen. Ich hab das Rauschen vernommen und war zurück in der Zeit. Der Druck von meinen Schultern, von meiner Brust und meinem Bauch war weg und ich bin angekommen. Manchmal, so wie jetzt gerade, wird mir das Herz noch schwer beim Gedanken daran. Ich bin nicht fertig geworden mit dem Denken, konnte nicht atmen und war gefangen. Aber ich spüre die Veränderung wie eine weise alte Dame wieder zu mir kommen. Ich forme Pläne mit meinen Händen, berühre Gegenstände und orientiere mich neu. Das ist so wichtig, das ist mein Inbegriff, Veränderung zu erkennen und wahrzunehmen. Ich weiß nicht worin meine Hoffnung liegt oder mein Leben. Ich BIN Veränderung. Wenn ich in meiner Stille bin, ist alles gut. Wenn ich meine Worte gewählt habe, sind sie wahr. 
Ich bin zurückgekehrt vom Meer mit seinen Sandkörnern und Steinen, vom Meer mit seinem Morgenduft, dem unschuldigen, von seinem Abendrot mit dem Glitzern und dem Mond in der Nacht, der den Weg hinaus beschreibt und möchte dass ich ihm folge. Die Linie am Horizont ist das was mich öffnet, und wenn ich mich abwende, bleibt ihr Bild als Nachbild auf meiner Netzhaut bis ich sterbe. Meine Hand auf seine Oberfläche zu legen und seinen Puls zu spüren; meine Welt in seine Hand zu legen und zu beten; meine Träume hinauszuschicken, auf einem Boot, einem schnellen, und meine Wünsche ihm mitzugeben auf seine Reise um die Erde, die nicht so rund ist wie ich dachte. Meine Antwort, meine Lebensantwort zu finden, auf einem Stück Papier in der Zukunft, geprägt und endlich, nicht unzerstörbar sondern menschlich. Das Rauschen zu hören, das mein Herz zum Schlagen bringt, das meinen Atem schneller macht, und das mich einhüllt.
Meine Antwort auf das Leben zu finden. Eine, die nur für mich passt, und in der sich meine Schmerzen legen. Das Vermissen aufzugeben und vielleicht einmal einen Schritt zu tun, um die Verbindung zur Vergangenheit zu kappen.

Ich habe dort am Meer geträumt von den Menschen, die mir nahe standen, die mich lehrten, das Vergeben als Chance zu sehen und Abstand zu nehmen von denen, die mich traurig machen. Hinauszugehen und dem Leben zuzunicken, wenn es mich wieder auf die Reise schickt. Zu hoffen, ein eigenständiger Mensch zu bleiben, auch wenn mein Herz in der Hand eines anderen zur Ruhe gefunden hat. Anzulegen, an einem Bootsteg mit Zukunft, und dann, dass mir jemand über die Reling hilft, mir eine Hand reicht und sie hält, solange, bis ich sicher auf der anderen Seite bin.

(...)

Als mein Herz dann bis zum Zerspringen klopfte, war ich im Traum dann am Puls des Lebens, in der Stadt, in der Nacht, am Tag, an einer Kreuzung bei roter Fußgängerampel. Das war vielleicht der Anfang, das Ende, die Mitte, der Platz. Da war ich unbesiegbar, unbezwingbar, menschlich vollkommen. Ich bin wieder hinausgegangen von dort, weil der Schmerz so groß war. Die Wellen spüre ich bis heute, und werde sie immer spüren, und das ist gut so. Das Zischen der Sektflasche, die Türe ins Schloss fallen, der Duft des Morgens, das Fallen allein, die Hand, der Atem. Der Sinn.
Macht nichts. Der Weg geht weiter.

Heute ist ein neuer Tag, morgen ein anderer. Ich möchte lernen, im Jetzt zu leben, in meiner eigenen Zeit und meinem eigenen Tun. Präsent zu sein in dem was ich tue, zu überleben in einer Welt voller Zwietracht, großzuziehen was in mir ist, und weiter zu gehen. Hin und wieder einen Punkt machen und mich hinsetzen. Rückblickend den Sinn erkennen, warum ich dieses oder jenes verloren habe, mich selber vergessen musste, Liebe bekam, Liebe gab und zum Anfang zurückkehrte. Man muss mit seinem Herzen dort sein, wo man ist.
Ich möchte wissen, warum die Menschen so gern in mein Gesicht schauen, mich beim Leben beobachten, ohne Hintergedanken, sondern nur mich ansehen. Das haben sie alle gerne gemacht. Ich weiß nicht was in meinem Gesicht ist. Ich weiß nicht was die Antwort ist, doch vielleicht müsste ich dafür nur in den Spiegel schauen.

Jeder bekommt das, was er tragen kann. Ich habe überlebt. Heute ist der letzte Tag von vielen letzten Tagen, und der erste von vielen anderen, und ich hätte jetzt gerade gerne noch etwas mehr Zeit, um zur Ruhe zu kommen, hier zu Hause, aber es wird einen Grund haben, warum ich das nicht tue. Ich habe Angst vor dem endgültigen Erwachsenwerden, aber der, der meine Geschichte erzählt, begleitet mich dorthin. Ich bin mitten hineingerutscht und das Leben war bis jetzt immer gut zu mir, hat mich geschubst wo ich hinmusste, und mich weggezogen wenn etwas zu Ende war. Das Leben hat mich weich gebettet, und mir Liebe gegeben die mich wachsen ließ. Es hat mir in mir selbst viel zu tun gegeben, und ich beobachte bewusst die Entwicklung in meinem Inneren. Manches passiert von allein, anderes will gefördert werden. Ich möchte so gerne ankommen, denke ich manchmal, aber das muss ich nicht. Ich schaue in die Zukunft und ab und zu wünsche ich mir, ich hätte alles schon hinter mir. Aber dann freue ich mich wieder auf jeden einzelnen Morgen, jeden einzelnen Nachmittag und Abend, jedes Glas Wein, jedes Gedicht, jedes Konzert, jedes gute Gespräch, jede Geburt und jeden Tod, auf jedes einzelne Mal wenn mich das Leben durch die Dimensionen schleudert und ich lerne, aufzustehen, immer wieder aufzustehen nach einer Niederlage, nach einem Streit, und auch nach den Siegen, die mich zu Boden gezwungen haben, aber auch nach einer gut durschlafenen Nacht. Ich möchte das Leben ganz leben, meinen Atem genießen und die Momente voller Glück. Und dann möchte ich wieder zum Meer.

Montag, 5. Dezember 2011

Herbstgedichte.

Ich hatte mir für Oktober vorgenommen, jeden Tag ein Gedicht zu schreiben. Ganz hab ich's nicht geschafft, aber es ist doch eine Anzahl zusammengekommen, die ich nun abgetippt habe und gerade ein bisschen in Form bringe. Hier ein Appetithappen:


Abend und Nacht.

Es wird Abend
und es wird Nacht.
Ich schreibe meine Worte sanft,
mit Bedacht.

Die Schokolade
schmilzt und wird ganz weich.
Wenn ich schlafe,
ist mein Leben leicht.

Morgens
schreckt mich der neue Tag.
Ich muss weg,
auch wenn ich nicht mag.

Den Schlüssel
brauch ich nicht mitzunehmen
denn Du bist da
nach Dir werd' ich mich sehnen.

Es wird Abend
und dann Nacht.
Was hab ich heute
denn vollbracht?


Das Leben
hat mich auf meinen Platz verwiesen.
Irgendwann
werd ich es dann
wieder genießen.

Die Antwort
auf meine Frage kenn ich nicht.
Ich werde beten
und schreiben,
Gedicht um Gedicht
um Gedicht.

Erstes Herbstgefühl.

Die Kälte kriecht sanft
in meine Schuhe, meine Jacke
und der Wind
bläst meinen Hut davon.
Heut hab ich nichts mehr
zu verlieren.
Ich schwimme nicht mehr
mit dem Strom.
Blätterregen versüßt mir
den Abendsonnenschein.
Es hat die ganze Zeit geregnet
die Gedanken lass ich mir zerstreuen.
Vor dem Haus gehen
alle Lichter an.
Der Herbst ist angekommen,
ich mag nicht raus
und zünd' ein Feuer an.

Die Worte.

Jeden Tag die Worte sammeln
die zwischen dem Gesprochenen stehn.
Den Kopf schieflegen
damit das Kreative
in einer Ecke zusammenrinnt.
Manchmal
sind es nicht genug
und manchmal
hab ich sie zu schnell
wieder vergessen
bevor ich sie
einsammeln konnte,
ordnen
und aufschreiben.


Habt einen schönen Montagabend!